Türkenkarkopf – 13.06.2020

In einem Schigebiet zu wandern ist meistens kein besonderer Augenschmaus. Lifttrassen, Schneisen im Wald, breite Güterwege zur Versorgung der Hütten usw. Oder Speicherteiche. Gegen diese künstlichen Teiche hab ich sowieso ein Abneigung. Keine Ahnung, wieso so viele Schigebiet im Sommer mit Fotos von ihren künstlich angelegten Speicherteichen werben.

Und wie ist das in ehemaligen Schigebieten? Das Schigebiet Bärenalm in Hinterstoder ist seit Anfang der 2000er-Jahre geschlossen. Ich kann mich noch erinnern, als Kind dort gefahren zu sein. Das Schigebiet war mehr als überschaubar, es gab einen Doppelsessellift und zwei Schlepper. Mit dem größeren Schigebiet auf der Höss waren die Pisten der Bärenalm nie verbunden. Lt. Wikipedia gab es aber auf der Bärenalm sogar mehrere Schi-Weltcuprennnen mit prominenten Siegern wir Kjetil Andre Aamodt, Vreni Schneider oder Petra Kronberger. Angeblich absolvierte der große Hermann „Herminator“ Maier auf der Bärenalm sein erstes Weltcuprennen.

Mittlerweile sind die Lifte abgebaut, nun sind im Winter die Schitourengeher hier unterwegs. Und im Sommer? Im Sommer kann man eine Wanderung auf die Bärenalm oder noch weiter auf die Türkenkarscharte und den Türkenkarkopf machen, so wie ich am 13.06.2020.

Nach einer gemütlichen Anreise startete ich kurz vor 8 Uhr am (gebührenpflichtigen!) Parkplatz bei der ehemaligen Talstation (656 m).

Von dort geht man entlang der Straße ein paar Meter Richtung Talschluss und folgt links dem Güterweg ein paar Minuten, um dann auf den markierten Wanderweg durch den Wald und über saftige Wiesen Richtung Schafferreith aufzusteigen.

Die Wege sind relativ breit, manchmal handelt es sich offenbar um einen Ziehweg aus den vergangenen Skigebiets-Tagen. Man hat aber nicht den Eindruck, in einem Skigebiet unterwegs zu sein. Nach einer schwachen Stunde erreiche ich die Alm der Schafferreith (1.050 m), der Wegweiser führt mich geradeaus weiter Richtung Osten. Kurz nach der Alm wird der Weg schlechter und scheint sich zu teilen. Bin ich hier richtig? Markierungen sind auch keine mehr zu sehen. Aber der Wegweiser hat eindeutig geradeaus gewiesen. Ich irre ein wenig herum, suche den Weg und gehe schließlich zurück zum Wegweiser. Eine Frau hat mich offenbar beobachtet und ruft mir zu, ob ich „leicht den Weg suach?“. Ich bejahe und gehe zu ihr hin. Sie erklärt mir, dass der Weg zwischen den beiden Gebäuden der Schafferreith hindurchführt und dass sich immer wieder Wanderer „vergehen“. Sie würde jetzt mal mit dem Wegerhalter (Gemeinde Hinterstoder? Alpenverein?) reden müssen. Die Frau hat ein Baby im Arm, und mehrere anderen Kinder wuseln um sie herum. Ich frage, ob sie den Sommer hier heroben verbringen, und so kommen wir ins Gespräch. Sie wohnt mit ihrer Familie den zweiten Sommer auf der Schafferreith, erzählt sie. Eigentlich lebt ihre Familie im Bezirk Rohrbach. Sie und ihr Mann/Partner unterrichten die größeren Kinder im Heimunterricht. Interessantes Lebenskonzept, mein Interesse ist geweckt. Ich sage ihr, dass ich Richtung Bärenalm aufsteigen will und dass ich nachher bei ihnen auf der Alm einkehren werde.

Schafferreith

Nach der Schafferreith (oder „dem“ Schafferreith?) folgt man dem Weg bergwärts, und hier geht man eindeutig entlang einer ehemaligen Schipiste. Die „Wunden“ von damals sind allerdings schön verheilt, die Kühe weiden und genießen vielleicht ebenso wie ich das herrliche Panorama auf das Tote Gebirge. Etwa eine Viertelstunde ab der Schafferreith taucht man in den Wald ein und folgt schön angelegten Steigen. Man kommt an Wegpunkten wie dem „Schreiad’n Mau“ und dem „Trogadn Stoa“ vorbei. Apropos „Trogada Stoa“: als ich hier ankomme, hat gerade eine größere Gruppe dort eine Pause eingelegt – diese Tatsache wird später noch relevant sein. 😉

Ich folge dem Weg weiter bergan, komme an einem Bründl vorbei. Interessanterweise ist die Markierung mehr als mies, ich finde überhaupt keine „Bemalungen“, aber es gibt eindeutig einen Steig. Etwas unterhalb des Grasrückens überholen mich im Eilzugstempo drei junge Leute, einer Dame fällt mein Gesäuse-Shirt auf („Du host des richtige Leiberl au!“). Kurz darauf erreiche ich die Hochebene der Bärenalm (1.626 m). Die Lage der Alm ist mehr als malerisch, der Ausblick auf Spitzmauer, Priel und Co unglaublich schön. Eines der schönsten Panoramen, die ich kenne. Gehzeit ab Parkplatz knapp. 2:30 h (inkl. „Vergeher“ auf der Schaffereith, Fotostops etc.).

Bärenalm

Rund 1.000 Höhenmeter hat man zu diesem Zeitpunkt schon in den Beinen. Von hier schlängelt sich der Weg gemütlich und nur mehr leicht ansteigend hinauf auf die 1.741 m hoch gelegene Türkenkarscharte.

Weg zur Türkenkarscharte
Türkenkarscharte

Von dort eröffnet sich mit einem Mal der Blick in die Steiermark. Man sieht nichts außer Wald, Wald, Wald und Berge.

Blick ins „Steirische“

Ich beschließe, ein kurze Jausenpause einzulegen. Vom Sattel aus kann man zwei Gipfel besteigen, nämlich die Türkenkarspitze (1.836 m, in manchen Karten auch „Hohe Scheibe“ genannt) oder das 2.068 m hohe Hirscheck. Beide Steige sind unmarkiert. Der Aufstieg auf das Hirscheck dauert anscheinend eine knappe Stunde, ich entscheide mich für den Türkenkarkopf. Der Weg ist zwar nicht bezeichnet, aber es gibt ziemlich eindeutige Steigspuren. Eine Abzweigung ist mit Steinmanderln markiert. Nach gut 3 h (ab Talstation) erreiche ich den Gipfel des Türkenkarkopfes. Mittlerweile sind ein paar Schönwetterwolken aufgezogen, aber die Schneefelder leuchten nach wie vor strahlend weiß von der anderen Talseite. Der Gipfel des Türkenkarkopfes hat nur ein kleines „provisorisches“ Gipfelkreuz. Ein Gipfelbuch liegt nicht auf. Er dürfte einfach nicht allzu oft besucht werden. Auch an diesem herrlich schönen Samstag bin ich ganz alleine hier oben. Schön. 😎

Auf dem Türkenkarkopf (auch „Hohe Scheibe“ genannt)
Blick vom Türkenkarkopf hinüber auf das gegenüberliegende Hirscheck. Der Anstiegsweg zur Türkenkarscharte ist gut erkennbar.
Blick vom Türkenkarkopf über die Bärenalm ins Tote Gebirge
Blick vom Türkenkarkopf Richtung Schrocken bzw. den „Mölbingen“ (Hoch-, Mitter- und Kleinmölbing)
Türkenkarkopf von der Türkenkarscharte aus

Nach einer gemütlichen Gipfelrast breche ich um Punkt 12:00 Uhr zum Abstieg auf. Nach kurzer Zeit erreiche ich schon die Bärenalm und folge dem Weg weiter Richtung Schafferreith.

Wieder zurück bei der Bärenalm

Etwas unterhalb der Bärenalm wundere ich mich über den Steigverlauf. Der Weg kommt mir überhaupt nicht bekannt vor. Eigenartig. Ich folge den eindeutigen Markierungen weiter talwärts. Langsam dämmert es mir – ich muss mich beim Aufstieg vergangen sein und bin jetzt auf dem richtigen Weg. Erst als ich beim „Trogadn Stoa“ ankomme, bin ich wieder auf einem mir bekannt vorkommenden Weg. Ich schaue mich um und merke, dass sich der Aufstiegsweg hier teilt, und zwar einmal links und einmal rechts des Zaunes. Es stehen sogar Wegweiser da, aber die waren bei meinem Aufstieg durch die Wandergruppe verdeckt. So merkte ich beim Aufstieg nichts von der Weggabelung und nahm prompt den verkehrten. Hat mich aber trotzdem zur Bärenalm geführt. Und war auch sehr schön. Und nachdem mich beim Aufstieg ein paar Leute (Stichwort „Xeis-Leiberl“) überholt hatten, sind entweder die auch falsch gegangen oder es gibt einfach eine zweite Variante. 😉

Nach ca. 1:40 h ab dem Türkenkarkopf-Gipfel erreiche ich die Schafferreith und nehme vor der Hütte Platz. Die junge Frau Hüttenwirtin ist grade dabei, Verwandte ins Tal zu begleiten, aber ihr Mann gesellt sich zu mir bzw. zu den zwei anderen Paaren (aus der Welser Gegend bzw. aus Bayern). Die Auswahl bei der Verpflegung beschränkt sich auf das, was selbst produziert wird, und das ist Brot, Ziegen- und Erdäpfelkäse und eine Mehlspeise. Einzig der Speck für Speckbrote wird zugekauft. Ich entscheide mich für ein (liebevoll dekoriertes) Erdäpfelkäsbrot. Wir fünf Gäste und der Wirt genießen die strahlende Sonne und sprechen über Gott und die Welt, natürlich auch über das derzeit alles beherrschende Corona-Thema. Die Welser berichten, dass sie ein Feriendomizil in Hinterstoder haben, über den Bäcker, der nur 2 x die Woche bäckt (https://www.engelbaecker.at), über die hohe Nachfrage nach Zweitwohnungen im Stodertal und über das neu eröffnete Wirtshaus (https://www.restaurantstoda.at). Interessant ist auch das, was der Hüttenwirt (ich meine, er heißt Martin?) über sein Lebenskonzept zu erzählen hat. Das Gehörte unterliegt aber dem Datenschutz. 😉 Als ich schließlich nach der Rechnung frage, erfahre ich, dass es keine „Preisliste“ gibt und ich einfach hergeben soll, was ich für gerechtfertigt halte. Interessant.

Beim Abstieg kommt mir wenige Minuten unterhalb der Hütte noch die Hüttenwirtin samt den beiden kleinsten Kindern entgegen. Auch mit ihr plaudere ich noch ein wenig, vor allem über das Schulsystem. Ich verabschiede mich und erreiche ca. 40 min nach dem Aufbruch in der Schafferreith das Auto. Auf der Heimfahrt passiere ich den Parkplatz bei der Polsterlucke/Priel-Anstieg. Dieser ist völlig überfüllt, die Autos parken kreuz und quer, teilweise auf der Straße…alle wollen raus nach dem Corona-lock down. Bin ich froh, dass meine heutige Wanderung dagegen fast „einsam“ war.

Fazit:
– Knapp 1.200 hm. Aufstieg gut 3 h, Abstieg ca. 2:15 h.
– lässige Wanderung auf schönen Wegen
– abwechslungsreich (Wald, Alm, Wiese, lichter Bergwald, Latschen)
– immer wieder herrliche Ausblicke auf die Priel-Gruppe
– Achtung bei der Wegfindung im Bereich Schafferreith bzw. „Trogada Stoa“ 😉
– einfache, aber gute Jause auf der Schafferreith mit interessanten Leuten
– vergleichsweise wenig begangen
– vom alten Schigebiet merkt man kaum mehr etwas